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Bericht
über die digitale Jahrestagung des
Arbeitskreises Patristik vom 15.-17.4.2021 an der Katholischen
Universität Eichstätt-Ingolstadt
„Grenzüberschreitungen
im antiken Christentum“
Organisation:
Katharina Reihl, Joachim Braun
Im März 2020 hätte die
Jahrestagung des AK Patristik an der KU Eichstätt-Ingolstadt
stattfinden sollen. Die Maßnahmen zur Eindämmung der Corona-Pandemie
hatten das Organi-sationsteam damals bewogen, die Konferenz sehr
kurzfristig abzusagen. Katharina Reihl (wissenschaftliche Mitarbeiterin
am Lehrstuhl für Alte Kirchengeschichte und Patrologie) und Joachim
Braun (wissenschaftlicher Mitarbeiter an der Stiftungsprofessur für
Theologie des Christlichen Ostens) haben sich daraufhin dazu
entschlossen, die Jahrestagung 2021 nachzuholen und erstmals digital
durchzuführen. Sie fand vom 15. bis 17. April 2021 via ZOOM unter dem
Thema „‚Grenzüberschreitungen‘ im antiken Christentum“ statt. Mit
großer Kooperationsbereitschaft und unkomplizierter Flexibilität hatten
fast alle Referentinnen und Referenten des Vorjahres ihre Teilnahme
wieder zugesagt. Einige neue Formate (Virtual Meetup, digitales
Kulturprogramm) sollten die Gegebenheiten des digitalen Mediums besser
berücksichtigen und gegenseitigen Austausch ermöglichen.
Die Jahrestagung wurde finanziell durch die Pädagogische Stiftung
Cassianeum in Donauwörth, die Maximilian-Bickhoff-Universitätsstiftung
und die Eichstätter Universitätsgesellschaft e.V. unterstützt.
Zusätzlich gewährte das Zentrum für Forschungsförderung einen Zuschuss
aus KU-internen Mitteln (proFOR+). Des Weiteren war die Konferenz
eingebettet in Forschungsfeld I des KU Zentrums Religion, Kirche,
Gesellschaft im Wandel.
In einem interdisziplinären Zugang und auf mehrfachen Bedeutungsebenen
wurde dem komplexen Phänomen der Grenzüberschreitungen in fünf
Sektionen nachgespürt: Theologie und Religiosität, Raum und Zeit,
Mystik und Askese, Sprache und Kultur, Gesellschaft und Recht. Mit gut
30 Teilnehmenden bei den unterschiedlichen Sektionsbeiträgen und knapp
70 Gästen während des Abendvortrags konnte durch das digitale Format
die Reichweite des AK Patristik erfreulicherweise vergrößert werden.
Sektion 1 zu theologischen und religiösen Grenzüberschreitungen
eröffnete Dr. ANDREA RIEDL (Alte Kirchengeschichte und Patrologie,
Regensburg). Unter dem Vortragstitel „Die Seele zwischen Tod und
Jüngstem Gericht“ nahm sie das Auditorium mit auf eine patristische
Spurensuche für den mittelalterlichen Ost-West-Konflikt um die
eschatologische Vorstellung des Fegefeuers. Der Vortrag von Dr.
SEBASTIAN KIEßIG (Pastoraltheologie, Bonn) bezeugt die grundsätzlich
interdisziplinäre Ausrichtung des AK Patristik. Seine
„anthropologischen Beobachtungen in Augustinus’ De catechizandibus
rudibus“ zogen Parallelen zur heutigen kirchlich-pastoralen
Wirklichkeit. Die „Geschichte einer Grenzüberschreitung“ berichtete Dr.
WENZEL MAXIMILIAN WIDENKA (Fundamentaltheologie, Eichstätt), als er
über die Transferierung der Gottheit Ba’al in den römischen Götterkanon
sprach.
Der Eröffnungsvortrag in Sektion 2 zu räumlichen und zeitlichen
Grenzüberschreitungen von Dr. ISABELLE MOSSONG (Alte Geschichte,
München) verglich den epigraphic habit des spätantiken Klerus in Italia
und Hispania, der auch eine Wertigkeit innerhalb der kirchlichen
Ämterstruktur aufscheinen lasse. ANNKATRIN BLANK (Alte
Kirchengeschichte und Gräzistik, Regensburg) machte mit ihrem Vortrag
über die Grabinschrift des Aberkios deutlich, wie dieser durch seine
Reisen nach Rom und Nisibis die Gemeinschaft aller Christen in West und
Ost als Verheißung Christi wahrnahm. Anhand der collective memory
theory von Maurice Halbwachs beleuchtete Dr. GIANNA ZIPP
(Kirchengeschichte, Greifswald) die Schrift De mortibus persecutorum
des Laktanz und die Historia ecclesiastica des Eusebius von Caesarea.
Dabei habe vor allem die Transformation des historischen Verständnisses
der Christenverfolgung sowie die Prägung eines bestimmten
Tetrarchenbildes zur „Konstruktion von memorialer Normativität in der
Historiographie der Spätantike“ beigetragen.
Dr. CHRISTOPH HAMMANN (Gräzistik, Marburg) hielt den ersten Vortrag in
Sektion 3 zu mystischen und asketischen Grenzüberschreitungen. Dabei
spürte er der „Grenzenlosigkeit Gottes in der Mystik des
Pseudo-Dionysios Areopagita“ nach. „Asketische Grenzüberschreitungen in
den frühen Juragemeinschaften“ thematisierte RAHEL SCHÄR (Ältere
Geschichte des Christentums und der interreligiösen Begegnungen, Bern).
Sie bezog sich dabei auch auf ihr Dissertationsprojekt zu Condatisco
und seinen Tochterklöstern im 5./6. Jahrhundert. Aus Griechenland
zugeschaltet war Dr. IOANNIS STEPHANOS KAMINIS (Patristik, Volos).
Unter dem Titel „Christliche Askese ohne Grenzen“ spürte er der
diachronen Rezeptionsgeschichte des Evagrius Pontikus nach.
Sektion 4 zu sprachlichen und kulturellen Grenzüberschreitungen
eröffnete Dr. STEFAN PABST (Alte Kirchengeschichte, Bonn), indem er die
Grenzen des Verstehens am Beispiel griechischsprachiger
Kirchenväterliteratur in Spanien aufzeigte. Im Zeichen der Ökumene
hätte bereits Marius Victorinus vorgeschlagen, zentrale Theologumena
mit all ihren Aspekten in griechischer Sprache beizubehalten, um eine
Kommunikation innerhalb der gesamten Christenheit zu ermöglichen. Diese
sprachliche Grenzöffnung brachte FLORIAN ZACHER (Kirchengeschichte,
Erlangen-Nürnberg) am Beispiel des Begriffs ὁμοούσιος dem Plenum nahe.
Über kulturelle Grenzüberschreitungen referierte STEFAN METZ (Alte
Kirchengeschichte, Patrologie und Christliche Archäologie, Tübingen).
Er betrachtete die spectacula in der lateinischen Spätantike und
wendete dabei einen offenen Kulturbegriff an, der interessante
Gemeinsamkeiten und Unterschiede zwischen nicht-christlichen und
christlichen Kritiken an den Schauspielen gegenüberstellte.
Den Abschluss der Jahrestagung bildete Sektion 5 zu sozialen und
rechtlichen Grenzüberschreitungen. Dr. PHILIP FORNESS (Alte Geschichte,
Frankfurt a. M.) präsentierte in seinem Vortrag die „Annäherung und
Abgrenzung von Rom und Persien“, indem er die Konziliengeschichte der
Kirche des Ostens im 5. Jahrhundert nachzeichnete. Am Beispiel der
beiden spätantiken Pilgerinnen Melania der Älteren und Paula stellte
sich Dr. EVA-MARIA GÄRTNER (Alte Kirchengeschichte und Patrologie,
München) die Frage, ob Pilgern als emanzipatorisches Ausbrechen aus
sozial vorgegebenen Rollenmustern verstanden werden könnte. Mit dem
Tertullianzitat „Fange das frische Blut auf, sättige damit dein Brot
und verzehre es mit Freude!“ zeichnete Dr. HENDRIK A. WAGNER (Alte
Geschichte, Kiel) das Schreckensbild des Kannibalismus im Diskurs der
frühchristlichen Apologeten nach.
Im Rahmen der Jahrestagung fand zudem ein öffentlicher Abendvortrag mit
anschließender Diskussion statt. Unter dem Titel „Kult und Kultur –
Liturgiesprachen in Ost und West“ beleuchteten Prof. Dr. THOMAS KREMER
(Stiftungsprofessur Prinz Max von Sachsen für Theologie des
Christlichen Ostens) und Prof. Dr. Dr. ANDREAS WECKWERTH (Lehrstuhl für
Alte Kirchengeschichte und Patrologie) in einem gemeinsamen Vortrag den
Gebrauch der Liturgiesprachen sowohl im weströmischen Reich (hier
besonders in Rom) als auch im byzantinischen Christentum. Für das
weströmische Reich legte Prof. Weckwerth dar, dass das Griechische –
grundlegende Liturgiesprache zu Beginn des Christentums – keine
exklusive Bedeutung genossen habe, sondern ein allmählicher Übergang
zum Lateinischen ab dem Ende des 3. Jahrhunderts anzunehmen sei. In der
Spätantike sei eine Parallelität von Latein und Griechisch zu vermuten.
Während im Westen die autochthonen Sprachen nie als Liturgiesprache
verwendet worden seien – Hintergrund könnte die Verbreitung des
Christentums als Stadtreligion sein –, sei diese Entwicklung im
byzantinischen Christentum klar nachzuvollziehen. Hierbei nähmen
besonders frühe Bibelübersetzungen in die verschiedenen Volkssprachen
eine entscheidende Rolle ein. So habe sich beispielsweise Syrisch,
christliches Arabisch oder Armenisch als Liturgiesprache der sich
herausbildenden Nationalkirchen durchgesetzt. Prof. Kremer wies auch
auf die Bedeutung des Kirchenslawischen für die Christianisierung der
Kiewer Rus hin.
Die Vorträge werden 2022 in einem Tagungsband in der Reihe „Koinonia –
Oriens“ im Aschendorff-Verlag veröffentlicht. Die nächste Jahrestagung
des AK Patristik soll vom 25. bis 27. März 2022 an der Universität
Greifswald stattfinden.
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