ARBEITSKREIS PATRISTIK

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Bericht über die Jahrestagung des Arbeitskreises Patristik vom 20.-22.3.2015 in Mainz

Die Stadt als Lebenskontext im antiken Christentum

Vorbereitungsteam: Nadine Breitbarth, Elisabeth Engler-Starck, Katharina Pultar, Bastian Reitze, Esther Verwold

Das von einem Organisationsteam der Johannes Gutenberg-Universität ausgerichtete Treffen des Arbeitskreises Patristik versammelte im März 2015 rund dreißig Theologen, Philologen und Historiker aus Deutschland, der Schweiz und Österreich in den Räumlichkeiten des Leibniz-Instituts für Europäische Geschichte bzw. der Theologischen Fakultäten der Universität.

Mit dem Rahmenthema „Die Stadt als Lebenskontext im antiken Christentum“ stand, wie Esther Verwold (Mainz) in ihrer Begrüßung ausführte, ein besonders in der neuesten theologischen sowie historischen Forschung intensiv behandelter Komplex im Mittelpunkt des Interesses.

Den Abendvortrag am 20. März hielt Herr Prof. Volp (Mainz). Unter dem Titel „licet convivere cum ethnicis, commori non licet. Raum-Konkurrenzen in der Stadt des 3. und 4. Jahrhunderts“ zeigte er anhand prominenter Beispiele der Städte Antiochia, Mailand und Rom, wie sich das Gegen- bzw. Miteinander paganer und christlicher Selbstrepräsentation im urbanen Raum der Spätantike gestaltete. Besonderes Interesse legte Prof. Volp dabei auf die Betrachtung christlicher Begräbnis- und Kultstätten, deren teils erwiesene, teils rekonstruierte Lokalisation bereits entscheidende Einblicke in das wechselvolle Verhältnis der um den städtischen Raum konkurrierenden religiösen Parteien ermöglicht.

Paolo Cecconi (Würzburg) eröffnete mit seinem Vortrag „Die Kirche als Frau und als Turm: Die Darstellung der christlichen Gemeinschaft im Hirten des Hermas“ den zweiten Tag des Treffens. Ausgehend von der inneren Struktur der zu Grunde liegenden frühchristlichen Schrift stellte er Gemeinsamkeiten und Unterschiede in den beiden „Varianten“ der dort beschriebenen Vision dar und verortete die Schrift als Ganze im Kontext der jüdischen sowie christlichen Apokalyptik und Visionsliteratur.

Die beiden folgenden Vorträge nahmen mit Antiochia ein urbanes Zentrum spätantiker Kultur unter verschiedenen Gesichtspunkten in den Blick: Claudia Rimestad (Erfurt) gewährte unter dem Titel Christen in Antiochia im 4. Jh.: Die Christen und die pagane Bildung am Beispiel der Schule des Libanios in Antiochia“ einen Einblick in den zentralen Themenbereich der Paideia innerhalb des  heidnisch-christlichen Spannungsverhältnisses. Die ambivalente Figur des heidnischen Rhetorikers Libanios als Lehrer und Austauschpartner bedeutender christlicher Väter (v.a. Johannes Chrysostomos und die Kappadokier) auf der einen sowie als Freund Kaiser Julians auf der anderen Seite bildete dabei die Folie, vor der die vielfältige Interaktion paganer und christlicher Bildungstraditionen ausgeleuchtet wurde.

Mit Johannes Chrysostomos' Matthäus-Homilien beschäftigte sich Esther Verwold (Mainz) in ihrem Vortrag Die athletische Agonistik in Antiochia zwischen Realie und christlicher Ethik“. Sie umriss dabei zum einen die historische Situation der Predigten im urbanen Kontext Antiochias, wobei sie vor allem auf die bedeutende Rolle der dort in Analogie zum namensgebenden griechischen „Original“ abgehaltenen olympischen Spiele einging. Zum anderen zeigte sie exemplarisch, wie Chrysostomos  Sprachbilder, die der Sphäre des Sports und damit der Lebenswelt seiner Zuhörer entlehnt sind, dazu nutzt, einzelne Perikopen auszulegen und darüber hinaus spezifisch christliche Ethik zu vermitteln.

Mit Iglika Milusheva (Salzburg) und ihrem Vortrag „Das Land (Cassiciacum) als Kontrapunkt zur Stadt in der Biographie des jungen Augustinus“ rückte darauf der lateinische Westen der Oikumene in den Mittelpunkt des Interesses. Anhand der Selbstzeugnisse des Kirchenvaters zu seinen Aufenthalten in Rom, Mailand und Cassiciacum arbeitete sie heraus, welche Bedeutung die Phänomene „Stadt“ und „Land“ für den Lebens- und Glaubensweg Augustins hatten. Im Besonderen zeigte sie, dass mit dem Begriffspaar „Seefahrt und Hafen“ ein Bild aufgeworfen ist, innerhalb dessen sich der den verschiedenen Lebensstationen Augustins eigene Gehalt erfassen lässt.

Der Workshop „Das spätantike Alexandria als umstrittener Stadtraum“ unter der Leitung von Alexander Doms (Alte Geschichte/Berlin) behandelte Fragen rund um die Christianisierung des alexandrinischen Stadtraums. Anhand intensiver Quellenlektüren (Texte z.B. von Clemens von Alexandria, Athanasius) wurde zunächst Licht auf die Wahrnehmung sakraler Qualität des christlichen Versammlungsraums des spätantiken Alexandria geworfen. In einem zweiten Schritt wurden Quellen (z.B. von Sozomenos, Rufinus) mit Blick auf Konkurrenzsituationen mit der paganen Umwelt im alexandrinischen Stadtraum rezipiert. In einer anschließenden, angeregten Diskussion, die sehr von der interdisziplinären Zusammensetzung der Teilnehmergruppe profitierte, wurden Fragen wie die Bedeutung von Sakralräumen in innerchristlichen Konflikten als auch mögliche Übereinstimmungen christlicher Raumkonzepte mit Vorstellungen von Ortsheiligkeit in der paganen Umwelt diskutiert.

Der Workshop Frühchristliche Auseinandersetzung mit dem Hebräischen zwischen städtischer Partizipation und Eremitentum“ unter Leitung der Zürcher Philologin Vera Dürrschnabel widmete sich der Tätigkeit des Hieronymus als Übersetzer und Kommentator. Neben dem textnahen Nachvollzug einiger exemplarischer und teils problematischer Stellen der Vulgata im Vergleich mit dem hebräischen Urtext sowie der Septuaginta leistete die gemeinsame Arbeit im kleinen Kreis die Positionierung des Hieronymus im zeitgeschichtlichen Diskurs und bot darüber hinaus einige Ausblicke in die durchaus ambivalente Einordnung und Wirkungsgeschichte der Gestalt des Kirchenvaters sowie seiner Leistung.

Der Workshop „Die Stadt im Denken Augustins – eine exemplarische Analyse“ unter Leitung von Veronika Zilker und Tobias Janotta vom Zentrum für Augustinusforschung in Würzburg befasste sich mit der Frage, wie der Kirchenvater verschiedene urbane Zentren in seinem Werk literarisch darstellt und was er jeweils mit ihnen assoziiert. In Kleingruppen wurden hierzu einschlägige Passagen zu den Städten Mailand und Karthago (Conf.) sowie Jerusalem und Babylon (Civ.; Cat. rud.) gelesen und besprochen, um anschließend gemeinsam in einem Schaubild die Parallelisierung der positiv konnotierten Städte Mailand und Jerusalem sowie der negativ konnotierten Städte Karthago und Babylon herauszuarbeiten. Dabei wurde auch diskutiert, ob sich eine solche schematische Gegenüberstellung ohne Einschränkungen durchhalten lässt.

Der 22. März begann mit einem Gottesdienst zum Passionssonntag (Judika) unter der Leitung von Herrn Prof. Horn (Mainz), der auch die Predigt hielt.

Islème Sassis (Zürich) Vortrag a fori strepitu remotus ruris otium celebravi. Stadt und Land in den Briefen des Paulinus von Nola“ widmete sich daraufhin sowohl den Lebensstationen des Presbyters und späteren Bischofs als auch anderen Orten, denen im untersuchten Textcorpus herausgehobene Bedeutung zukommt. Im besonderen Fokus der Aufmerksamkeit standen dabei mit Rom und Jerusalem zwei Städte, die durch Paulinus zugleich in einem biographisch-zeitgeschichtlichen wie auch theologischen Rahmen ausgeleuchtet wurden.

Christoph Paar (Graz) unternahm es mit seinem Vortrag „Die Stadt Klysma in ihrem theologischen Koordinatensystem“ abschließend, die eminente Bedeutung der heute als Sues bekannten Stadt zu umreißen, die in der Tradition als Ort des Durchzugs Israels durch das Schilfmeer galt. Ausgehend von dieser Verortung Klysmas innerhalb der Heilstopographie zeigte er dabei, welche Relevanz der Handelsmetropole innerhalb des Pilgerwesens der Spätantike und des Mittelalters zukam, und weitete die Perspektive schließlich, indem er die Rolle der Stadt sowie der mit ihr assoziierten Väter bei der Verbreitung des Mönchtums in Syrien darstellte.

Den einzelnen Vorträgen folgte jeweils eine angeregte und gewinnbringende Diskussion in besonders freundschaftlicher und angenehmer Atmosphäre. Die Kaffeepausen sowie die gemeinsamen Abend- und  Mittagessen gaben darüber hinaus Gelegenheit zu weiterem fruchtbaren Austausch.

Die Einladung der Zürcher Nachwuchswissenschaftler für das Jahr 2016 wurde gerne entgegengenommen; wir sehen der Tagung unter dem Rahmenthema „Klassische Bildung und Christentum in der Spätantike“ mit großer Vorfreude entgegen.

Teilnehmer der AK Patristik Jahrestagung 2015 in Mainz

Teilnehmerinnen und Teilnehmer der AK-Patristik-Jahrestagung 2015 in Mainz. 

 
Bericht im PDF-Format

Veröffentlicht: 12.07.2015 Kontakt zum Veranstalterteam 2015 Letzte Änderung: 12.07.2015


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