Das
von einem Organisationsteam der Johannes Gutenberg-Universität
ausgerichtete
Treffen des Arbeitskreises Patristik versammelte im März 2015
rund dreißig
Theologen, Philologen und Historiker aus Deutschland, der Schweiz und
Österreich in den Räumlichkeiten des Leibniz-Instituts für Europäische
Geschichte bzw. der Theologischen Fakultäten der Universität.
Mit
dem Rahmenthema „Die Stadt als Lebenskontext im antiken Christentum“
stand, wie
Esther Verwold (Mainz) in ihrer Begrüßung ausführte, ein besonders in
der
neuesten theologischen sowie historischen Forschung intensiv
behandelter
Komplex im Mittelpunkt des Interesses.
Den
Abendvortrag am 20. März hielt Herr Prof. Volp (Mainz). Unter dem Titel „licet
convivere cum
ethnicis, commori non licet. Raum-Konkurrenzen
in der Stadt des
3. und 4. Jahrhunderts“ zeigte er anhand prominenter
Beispiele der Städte
Antiochia, Mailand und Rom, wie sich das Gegen- bzw. Miteinander
paganer und
christlicher Selbstrepräsentation im urbanen Raum der Spätantike
gestaltete.
Besonderes Interesse legte Prof. Volp dabei auf die Betrachtung
christlicher
Begräbnis- und Kultstätten, deren teils erwiesene, teils rekonstruierte
Lokalisation bereits entscheidende Einblicke in das wechselvolle
Verhältnis der
um den städtischen Raum konkurrierenden religiösen Parteien ermöglicht.
Paolo
Cecconi (Würzburg) eröffnete mit seinem Vortrag „Die Kirche
als Frau und als
Turm: Die Darstellung der christlichen Gemeinschaft im Hirten des
Hermas“
den zweiten Tag des Treffens. Ausgehend von der inneren Struktur der zu
Grunde
liegenden frühchristlichen Schrift stellte er Gemeinsamkeiten und
Unterschiede
in den beiden „Varianten“ der dort beschriebenen Vision dar und
verortete die
Schrift als Ganze im Kontext der jüdischen sowie christlichen
Apokalyptik und
Visionsliteratur.
Die
beiden folgenden Vorträge nahmen mit Antiochia ein urbanes Zentrum
spätantiker
Kultur unter verschiedenen Gesichtspunkten in den Blick: Claudia
Rimestad (Erfurt)
gewährte unter dem Titel „Christen
in Antiochia im 4. Jh.: Die
Christen und die pagane Bildung am Beispiel der Schule des Libanios in
Antiochia“ einen
Einblick in den zentralen
Themenbereich der Paideia innerhalb des
heidnisch-christlichen Spannungsverhältnisses.
Die ambivalente Figur des
heidnischen Rhetorikers Libanios als Lehrer und Austauschpartner
bedeutender
christlicher Väter (v.a. Johannes Chrysostomos und die Kappadokier) auf
der
einen sowie als Freund Kaiser Julians auf der anderen Seite bildete
dabei die
Folie, vor der die vielfältige Interaktion paganer und christlicher
Bildungstraditionen ausgeleuchtet wurde.
Mit
Johannes Chrysostomos' Matthäus-Homilien beschäftigte sich Esther
Verwold
(Mainz) in ihrem Vortrag „Die
athletische Agonistik in Antiochia
zwischen Realie und christlicher Ethik“. Sie umriss dabei
zum einen die historische Situation der Predigten im urbanen Kontext
Antiochias, wobei sie vor allem auf die bedeutende Rolle der dort in
Analogie
zum namensgebenden griechischen „Original“ abgehaltenen olympischen
Spiele
einging. Zum anderen zeigte sie exemplarisch, wie Chrysostomos Sprachbilder, die der
Sphäre des Sports und
damit der Lebenswelt seiner Zuhörer entlehnt sind, dazu nutzt, einzelne
Perikopen
auszulegen und darüber hinaus spezifisch christliche Ethik zu
vermitteln.
Mit
Iglika Milusheva (Salzburg) und ihrem Vortrag „Das Land
(Cassiciacum) als
Kontrapunkt zur Stadt in der Biographie des jungen Augustinus“
rückte
darauf der lateinische Westen der Oikumene in den Mittelpunkt des
Interesses.
Anhand der Selbstzeugnisse des Kirchenvaters zu seinen Aufenthalten in
Rom,
Mailand und Cassiciacum arbeitete sie heraus, welche Bedeutung die
Phänomene
„Stadt“ und „Land“ für den Lebens- und Glaubensweg Augustins hatten. Im
Besonderen zeigte sie, dass mit dem Begriffspaar „Seefahrt und Hafen“
ein Bild
aufgeworfen ist, innerhalb dessen sich der den verschiedenen
Lebensstationen
Augustins eigene Gehalt erfassen lässt.
Der Workshop „Das spätantike
Alexandria als umstrittener
Stadtraum“ unter der Leitung von Alexander Doms (Alte
Geschichte/Berlin)
behandelte Fragen rund um die Christianisierung des alexandrinischen
Stadtraums. Anhand intensiver Quellenlektüren (Texte z.B. von Clemens
von
Alexandria, Athanasius) wurde zunächst Licht auf die Wahrnehmung
sakraler
Qualität des christlichen Versammlungsraums des spätantiken Alexandria
geworfen. In einem zweiten Schritt wurden Quellen (z.B. von Sozomenos,
Rufinus)
mit Blick auf Konkurrenzsituationen mit der paganen Umwelt im
alexandrinischen
Stadtraum rezipiert. In einer anschließenden, angeregten Diskussion,
die sehr
von der interdisziplinären Zusammensetzung der Teilnehmergruppe
profitierte,
wurden Fragen wie die Bedeutung von Sakralräumen in innerchristlichen
Konflikten als auch mögliche Übereinstimmungen christlicher
Raumkonzepte mit
Vorstellungen von Ortsheiligkeit in der paganen Umwelt diskutiert.
Der
Workshop „Frühchristliche
Auseinandersetzung mit
dem Hebräischen zwischen städtischer Partizipation und Eremitentum“
unter Leitung der Zürcher Philologin Vera Dürrschnabel widmete sich der
Tätigkeit des Hieronymus als Übersetzer und Kommentator. Neben dem
textnahen
Nachvollzug einiger exemplarischer und teils problematischer Stellen
der
Vulgata im Vergleich mit dem hebräischen Urtext sowie der Septuaginta
leistete
die gemeinsame Arbeit im kleinen Kreis die Positionierung des
Hieronymus im
zeitgeschichtlichen Diskurs und bot darüber hinaus einige Ausblicke in
die
durchaus ambivalente Einordnung und Wirkungsgeschichte der Gestalt des
Kirchenvaters sowie seiner Leistung.
Der
Workshop „Die Stadt im Denken Augustins –
eine exemplarische Analyse“ unter Leitung von Veronika Zilker
und Tobias
Janotta vom Zentrum für Augustinusforschung in Würzburg befasste sich
mit der
Frage, wie der Kirchenvater verschiedene urbane Zentren in seinem Werk
literarisch darstellt und was er jeweils mit ihnen assoziiert. In
Kleingruppen
wurden hierzu einschlägige Passagen zu den Städten Mailand und Karthago
(Conf.) sowie Jerusalem und Babylon (Civ.; Cat. rud.)
gelesen und besprochen, um anschließend gemeinsam in
einem Schaubild die Parallelisierung der positiv konnotierten Städte
Mailand
und Jerusalem sowie der negativ konnotierten Städte Karthago und
Babylon
herauszuarbeiten. Dabei wurde auch diskutiert, ob sich eine solche
schematische
Gegenüberstellung ohne Einschränkungen durchhalten lässt.
Der
22. März begann mit einem Gottesdienst zum Passionssonntag (Judika)
unter der
Leitung von Herrn Prof. Horn (Mainz), der auch die Predigt hielt.
Islème Sassis (Zürich) Vortrag „a fori strepitu remotus ruris
otium celebravi. Stadt
und Land in den Briefen des
Paulinus von Nola“
widmete sich daraufhin sowohl den
Lebensstationen des Presbyters und späteren Bischofs als auch anderen
Orten,
denen im untersuchten Textcorpus herausgehobene Bedeutung zukommt. Im
besonderen Fokus der Aufmerksamkeit standen dabei mit Rom und Jerusalem
zwei
Städte, die durch Paulinus zugleich in einem
biographisch-zeitgeschichtlichen
wie auch theologischen Rahmen ausgeleuchtet wurden.
Christoph
Paar (Graz) unternahm es mit seinem Vortrag „Die Stadt Klysma
in ihrem
theologischen Koordinatensystem“ abschließend, die eminente
Bedeutung der
heute als Sues bekannten Stadt zu umreißen, die in der Tradition als
Ort des
Durchzugs Israels durch das Schilfmeer galt. Ausgehend von dieser
Verortung
Klysmas innerhalb der Heilstopographie zeigte er dabei, welche Relevanz
der
Handelsmetropole innerhalb des Pilgerwesens der Spätantike und des
Mittelalters
zukam, und weitete die Perspektive schließlich, indem er die Rolle der
Stadt
sowie der mit ihr assoziierten Väter bei der Verbreitung des Mönchtums
in
Syrien darstellte.
Den
einzelnen Vorträgen folgte jeweils eine angeregte und gewinnbringende
Diskussion in besonders freundschaftlicher und angenehmer Atmosphäre.
Die
Kaffeepausen sowie die gemeinsamen Abend- und
Mittagessen gaben darüber hinaus Gelegenheit
zu weiterem fruchtbaren
Austausch.
Die
Einladung der Zürcher
Nachwuchswissenschaftler für das Jahr 2016 wurde gerne
entgegengenommen; wir
sehen der Tagung unter dem Rahmenthema „Klassische Bildung und
Christentum in
der Spätantike“ mit großer Vorfreude entgegen.

Teilnehmerinnen und Teilnehmer der AK-Patristik-Jahrestagung 2015 in Mainz.