ARBEITSKREIS PATRISTIK

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Bericht über die Jahrestagung des Arbeitskreises Patristik vom 4.-6.4.2014 in Heidelberg

Ausprägungen christlicher Ethik in der Alten Kirche

Vorbereitungsteam: Ulrich Göppel, Christopher Nunn, Anna-Maria Semper

Zur diesjährigen Jahrestagung des AK Patristik zum Thema „Ausprägungen christlicher Ethik in der Alten Kirche“ versammelten sich 24 Teilnehmerinnen und Teilnehmer aus Deutschland, Österreich, der Schweiz und den USA in Heidelberg, um Vorträge zu hören, gemeinsam Texte zu lesen und über aktuelle Forschungsfragen zu diskutieren.

Prof. Dr. Winrich Löhr eröffnete die Tagung mit seinem Vortrag Die gepredigte Ethik und das gelebte Leben - zur Genealogie der christlichen Moral in der Antike“. In Anlehnung an das Modell des Mediävisten Peter Dinzelbacher, das eine Unterscheidung zwischen ‚verordneter Religion‘ und ‚lebendiger Religion‘ vornimmt (‚religion prescrite‘ und ‚religion vivant‘), unterschied Prof. Löhr zwischen ‚formulierter Ethik‘ und ‚gelebter Ethik‘. Von dieser Unterscheidung ausgehend warnte er davor, die in den antiken Quellen formulierte christliche Ethik einfach mit der tatsächlich gelebten Ethik gleichzusetzen. Stattdessen müsse man versuchen aus den von den christlichen Autoritäten verkündeten Lebensnormen heraus ein genaueres Bild von der tatsächlich gelebten Ethik zu gewinnen.

Die Vortragsreihe am Samstagvormittag eröffnete Nicholas Marinides mit dem Thema Der konstantinopolitaner Hofdichter Georg von Pisidia und seine Ermahnungen an den byzantinischen Kaiser Herakleios“. Darin zeigte er anhand eindrücklicher Textbeispiele auf, wie Georg von Pisidia Herakleios zum Musterbild eines christlichen Herrschers erhob. Indem Georg ihn mit Hilfe literarischer Topoi beschrieb, die sonst nur Bischöfen vorbehalten waren, schuf er ein neues Herrscherideal und stilisierte damit einen Laien zum ethischen und religiösen Vorbild.

Daniel Weisser zeigte in seinem Beitrag Radikale Askese und christliche Ethik im 4. Jahrhundert“ am Beispiel der Eustathianer, wie das asketische Ideal der Jungfräulichkeit im 4. Jh. immer populärer wurde und schließlich eine Exklusivität behauptete, die die Mehrheitskirche herausforderte. 

In seinem Vortrag Das Problem der Abgrenzung vom Sünder im syrischen Liber Graduum“ stellte Matthias Westerhoff vor, wie im Liber Graduum die unterschiedlichen Aussagen innerhalb der Bibel zum Umgang mit den Sündern in ein kohärentes System gebracht werden: Der noch unerprobte Gläubige soll den Sünder zum eigenen Schutz meiden, während sich der gefestigte Gläubige ihm in Liebe zuwenden soll.

Sandra Leuenberger-Wenger beleuchtete in ihrem Vortrag „Antikes Humanitätsideal versus christliche Nächstenliebe in den Reden des Libanius“ den Überlegenheitsanspruch christlicher Ethik aus der Sicht eines heidnischen Kritikers. Libanius kritisierte die Willkür christlicher Rechtsprechung und verwies auf die Ungerechtigkeit und die menschenverachtende Situation für die Gefangenen. Während der Statthalter Urteile verschleppte, um keine Todesstrafen auszusprechen, verendeten die Gefangenen aufgrund der Haftbedingungen ohne Gerichtsurteil.

Der Nachmittag war in guter Tradition des AK Patristik folgenden Workshops gewidmet:

Suizid in der Spätantike - eine Frage der Ethik oder der Instrumentalisierung?“ (Anneliese Felber), „bellum iustum bei Augustinus“ (Ulrich Göppel), „felix qui potuit rerum cognoscere causas - Augustins Umgang mit Vergilzitaten in Fragen der Ethik“ (Christian Haß/ Christopher Nunn) und „Von denjenigen, die unwillig sind sich zu ändern, ist es ja bequemer nur mit leeren Worten Glauben zu fordern als Werke der Gerechtigkeit‘ – Das Corpus Caspari über gute und schlechte Ethik-Lehrer“ (Anna-Maria Semper).

Den zweiten Teil der Vortragsreihe  eröffnete Marius Kalfelis am Sonntagmorgen mit seinem Beitrag „Spectacula christiana - Eine christliche Alternative zu den römischen Schauspielen?“. Darin stellte er verschiedene Alternativen vor, die Theologen wie Tertullian, Augustinus, Johannes Crysostomos und Novatian zu den heidnischen Spectacula entwickelten: Die Vergegenwärtigung der Heilsgeschichte, die Lektüre der heiligen Schrift, die Betrachtung des Wunders der Schöpfung übertreffen die heidnischen Spectacula, weil sie zusätzlich zum Erlebnischarakter der ethischen Erbauung dienen.

Im Anschluss führte uns Andreas Gerstacker unter dem Titel „Tertullian und die Soldatenfrage - De Idol. 19 im Licht der römischen Rhetorik“ diesen als geschickten Rhetoriker vor Augen, der sein Talent im Kontext einer vieldiskutierten ethischen Frage einzusetzen wusste.

Im letzten Vortrag der Tagung widmete sich Susanne Barth der Problemstellung „Der Bischof – ein besserer Christ? Die ethischen Ansprüche an den Klerus bei Gregor dem Großen“. Der Bischof, so ihr Fazit, ist für Gregor den Großen geradezu dazu verpflichtet, ein besserer Christ zu sein, um durch sein Vorbild aus den ihm anvertrauten Gläubigen auch bessere Christen zu machen.

Abgerundet wurde das Tagungsprogramm durch zahlreiche Gelegenheiten des zwanglosen Austauschs in Kaffeepausen und bei gemeinsamen Mahlzeiten. Ein Highlight des Rahmenprogrammes war die von Prof. Johannes Ehmann geleitete kirchengeschichtliche Stadtführung durch die Heidelberger Altstadt am Samstagabend.

Besonders bedanken wir uns bei der evangelischen Landeskirche in Baden und beim Förderverein der Evangelisch-Theologischen Fakultät Heidelberg für die finanzielle Unterstützung.

Wir freuen uns schon auf den AK Patristik 2015 in Mainz, der sich mit dem Thema: „Die Stadt als Lebenskontext im antiken Christentum“ beschäftigen wird!

Die Teilnehmerinnen und Teilnehmer der AK Patristik Jahrestagung 2014

von links nach rechts: Katrin Landefeld, Anna Katharina Freudenberger (verdeckt), Esther Verwold, Susanne Barth, Christine Mühlenkamp, Notker Baumann, Nicholas Marinides, Katharina Pultar, Marius Kalfelis, Daniel Weisser, Christian Hornung, Elisabeth Engler, Matthias Westerhoff, Anneliese Felber, Johannes Ehmann, Ulrich Göppel, Christopher Nunn, Julia Weiß, Anna-Maria Semper, Han-luen Kantzer Komline; es fehlen: Emanuele Castelli, Andreas Gerstacker, Christian Haß, Maren Elisabeth Laue, Sandra Leuenberger-Wenger, Andreas Schwab. 

 
Bericht im PDF-Format

Veröffentlicht: 17.05.2014 Kontakt zum Veranstalterteam 2014 Letzte Änderung: 17.05.2014


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