Zur
diesjährigen Jahrestagung des AK Patristik zum Thema „Ausprägungen
christlicher
Ethik in der Alten Kirche“ versammelten sich 24 Teilnehmerinnen und
Teilnehmer
aus Deutschland, Österreich, der Schweiz und den USA in Heidelberg, um
Vorträge
zu hören, gemeinsam Texte zu lesen und über aktuelle Forschungsfragen
zu diskutieren.
Prof. Dr. Winrich Löhr eröffnete die Tagung mit
seinem Vortrag „Die
gepredigte Ethik und das gelebte Leben - zur Genealogie der
christlichen Moral
in der Antike“. In
Anlehnung an das Modell des Mediävisten Peter
Dinzelbacher, das eine Unterscheidung zwischen ‚verordneter
Religion‘ und ‚lebendiger Religion‘ vornimmt
(‚religion prescrite‘ und ‚religion vivant‘),
unterschied Prof. Löhr zwischen ‚formulierter Ethik‘ und ‚gelebter Ethik‘. Von dieser
Unterscheidung ausgehend warnte er davor, die in den antiken Quellen
formulierte christliche Ethik einfach mit der tatsächlich gelebten
Ethik
gleichzusetzen. Stattdessen müsse man versuchen aus den von den
christlichen
Autoritäten verkündeten Lebensnormen heraus ein genaueres Bild von der
tatsächlich gelebten Ethik zu gewinnen.
Die Vortragsreihe am Samstagvormittag
eröffnete Nicholas Marinides mit dem Thema „Der konstantinopolitaner Hofdichter Georg von Pisidia und seine Ermahnungen an den byzantinischen Kaiser Herakleios“.
Darin zeigte er anhand eindrücklicher Textbeispiele auf, wie Georg von
Pisidia Herakleios zum Musterbild eines christlichen Herrschers erhob.
Indem Georg ihn mit Hilfe literarischer Topoi beschrieb, die sonst nur
Bischöfen vorbehalten waren, schuf er ein neues Herrscherideal und
stilisierte damit einen Laien zum ethischen und religiösen Vorbild.
Daniel Weisser zeigte in seinem Beitrag „Radikale Askese und christliche Ethik im 4. Jahrhundert“
am Beispiel der Eustathianer, wie das asketische Ideal der
Jungfräulichkeit im 4. Jh. immer populärer wurde und schließlich eine
Exklusivität behauptete, die die Mehrheitskirche herausforderte.
In seinem Vortrag „Das Problem der Abgrenzung vom Sünder im syrischen Liber Graduum“ stellte Matthias Westerhoff vor, wie im Liber Graduum
die unterschiedlichen Aussagen innerhalb der Bibel zum Umgang mit den
Sündern in ein kohärentes System gebracht werden: Der noch unerprobte
Gläubige soll den Sünder zum eigenen Schutz meiden, während sich der
gefestigte Gläubige ihm in Liebe zuwenden soll.
Sandra
Leuenberger-Wenger beleuchtete
in ihrem Vortrag „Antikes
Humanitätsideal versus christliche Nächstenliebe in den Reden des
Libanius“
den Überlegenheitsanspruch christlicher Ethik aus der Sicht eines
heidnischen Kritikers. Libanius kritisierte die Willkür christlicher
Rechtsprechung und verwies auf die Ungerechtigkeit und die
menschenverachtende Situation für die Gefangenen. Während der
Statthalter Urteile verschleppte, um keine Todesstrafen auszusprechen,
verendeten die Gefangenen aufgrund der Haftbedingungen ohne
Gerichtsurteil.
Der
Nachmittag war in guter
Tradition des AK Patristik folgenden Workshops gewidmet:
„Suizid
in der Spätantike - eine Frage der Ethik oder der
Instrumentalisierung?“ (Anneliese Felber), „bellum iustum bei
Augustinus“ (Ulrich Göppel), „felix qui potuit rerum cognoscere causas
- Augustins Umgang mit Vergilzitaten in Fragen der Ethik“ (Christian
Haß/ Christopher Nunn) und „‚Von denjenigen, die unwillig sind sich zu
ändern, ist es ja bequemer nur mit leeren Worten Glauben zu fordern als
Werke der Gerechtigkeit‘ – Das Corpus Caspari über gute und schlechte
Ethik-Lehrer“ (Anna-Maria Semper).
Den zweiten Teil der Vortragsreihe eröffnete Marius Kalfelis am Sonntagmorgen mit seinem Beitrag „Spectacula christiana - Eine christliche Alternative zu den römischen Schauspielen?“.
Darin stellte er verschiedene Alternativen vor, die Theologen wie
Tertullian, Augustinus, Johannes Crysostomos und Novatian zu den
heidnischen Spectacula entwickelten: Die Vergegenwärtigung der
Heilsgeschichte, die Lektüre der heiligen Schrift, die Betrachtung des
Wunders der Schöpfung übertreffen die heidnischen Spectacula, weil sie
zusätzlich zum Erlebnischarakter der ethischen Erbauung dienen.
Im Anschluss führte uns Andreas Gerstacker unter dem Titel „Tertullian und die Soldatenfrage - De Idol. 19 im Licht der römischen Rhetorik“
diesen als geschickten Rhetoriker vor Augen, der sein Talent im Kontext
einer vieldiskutierten ethischen Frage einzusetzen wusste.
Im letzten Vortrag der Tagung widmete sich Susanne Barth der Problemstellung „Der Bischof – ein besserer Christ? Die ethischen Ansprüche an den Klerus bei Gregor dem Großen“.
Der Bischof, so ihr Fazit, ist für Gregor den Großen geradezu dazu
verpflichtet, ein besserer Christ zu sein, um durch sein Vorbild aus den
ihm anvertrauten Gläubigen auch bessere Christen zu machen.
Abgerundet
wurde das Tagungsprogramm durch zahlreiche Gelegenheiten des zwanglosen
Austauschs in Kaffeepausen und bei gemeinsamen Mahlzeiten. Ein
Highlight des Rahmenprogrammes war die von Prof. Johannes Ehmann
geleitete kirchengeschichtliche Stadtführung durch die Heidelberger
Altstadt am Samstagabend.
Besonders bedanken wir uns bei der
evangelischen Landeskirche in Baden und beim Förderverein der
Evangelisch-Theologischen Fakultät Heidelberg für die finanzielle
Unterstützung.
Wir freuen uns schon auf den AK Patristik 2015 in Mainz, der sich mit dem Thema: „Die Stadt als Lebenskontext im antiken Christentum“ beschäftigen wird!

von links nach
rechts: Katrin
Landefeld, Anna
Katharina Freudenberger (verdeckt), Esther Verwold, Susanne Barth,
Christine
Mühlenkamp, Notker Baumann, Nicholas Marinides, Katharina Pultar,
Marius
Kalfelis, Daniel Weisser, Christian Hornung, Elisabeth Engler, Matthias
Westerhoff, Anneliese Felber, Johannes Ehmann, Ulrich Göppel,
Christopher Nunn,
Julia Weiß, Anna-Maria Semper, Han-luen Kantzer Komline; es fehlen: Emanuele
Castelli,
Andreas Gerstacker, Christian Haß, Maren Elisabeth Laue, Sandra
Leuenberger-Wenger, Andreas Schwab.